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Eine Frage des Stils?

Wie entwickeltst du deinen Stil in der Fotografie?

Schwarzweißportrait einer Frau, die lächelt und nach unten blickt
Franzi Skamet 2017 ©Claus Wagner

Wie ihr bestimmt schon mitbekommen habt, liebe ich Social Media als Netzwerk. Nicht so sehr als Mittel der Selbstdarstellung sondern viel mehr zum Austausch und zur Diskussion. Und so geschah es, das sich eine interessante Diskussion entwickelt hat.

 

Ausgangspunkt war meine Aussage, dass ich vor mancher Zusammenarbeit von Model und Fotograf so tief den Hut ziehe, dass ich es ais Respekt unterlasse das Model für ähnliche Fotosujets anzufragen (zu diesem Standpunkt gibt es später noch einen Blogbeitrag).

 

Kaum gepostet, kam die erste Reaktion ...

„Du musst an deinem Stil arbeiten!“

Da war es, das Menetekel, das jedem Fotografen dunkel prophezeit: Ohne Stil bist du kein echter Fotograf, bleibst ein ewiger Knipser und wirst in der Bedeutungslosigkeit verschwinden wie der Nebel durch die ersten Sonnenstrahlen vertrieben wird.

 

Stil - ein Wort, dass ich mir genauer anschauen muss, bevor ich mich der Prophezeiung wehrlos ergebe.

Was bedeutet eigentlich Stil?

Wir kennen alle den Begriff, doch ist er wirklich so trennscharf, als dass man ihn als Maß verwenden kann? Ich persönlich finde, dass Stil zu den Wörtern zählt, die der Beliebigkeit unterliegen: Modestil, Haarstil, Kleidungsstil, ... dazu noch das modischer klingende Style. 

 

Stil als Eigenschaftsbezeichnung hat seinen Ursprung in der Schriftstellerei - denn Stil bezeichnete den Griffel (auf lateinisch Stylus,) der benutzt wurde, um Texte zu erfassen. Man erkannte, mit welchem Griffel, welche Texte erfasst wurde: An der Breite des Strichs, der Intensität des Farbauftrags.... Ja, und man erkannte, wer den Griffel führte. Die persönliche Handschrift verriet den Urheber. 

 

Interessant: Wir sprechen heute noch von der Handschrift, die jemand hinterlässt, als Synomym für Sti: „Das trägt eindeutig seine Handschrift und meinen damit nicht immer die Graphologie.

 

Im Laufe der Zeit hat sich der Stil mehr uns mehr als Bezeichnung für die Eigenschaft eines Künstlers etabliert, einer Eigenschaft an der man seiner Arbeiten erkennen kann und eindeutig einer Person zuordnen kann. 

 

Im weiteren Verlauf wurde aus Stil dann Style und ... naja, es wurde für alles verwendet. 

 

 

Stil vs. Handwerk

Man könnte sagen, wer nicht schreiben kann, der wird auch keine Handschrift haben, vor allem keine, an der man ihn erkennen und von anderen, die Schreiben können, unterscheiden kann. Heißt also: Bevor wir von Stil sprechen, müssen die Grundlagen stimmen. 

 

In der Fotografie bedeutet das, die Grundlagen zu beherrschen. Zum einen die handwerklichen Griffe rund um die Technik: also Blende, Verschlusszeit und Filmempfindlichkeit. Und zum anderen aber auch die Grundbegriffe der Kunst: Goldener Schnitt, Kognition, Farbenlehre, Inszenierung, ...

 

Also quasi die Lehrjahre, Brot und Butterzeit. In unserem Bild: Schreiben lernen; Buchstaben um Buchstaben, Ortographie, Syntax, Grammatik und Stilformen wie Kurzgeschichte, Lyrik, Drama, Prosa etc. 

 

Wer das Handwerk beherrscht, besitzt derjenige dann auch schon einen eigenen Stil? Ich weiß es nicht, aber es gibt viele Deutschlehrer, um in unserem Bild zu bleiben, die alles das beherrschen, aber beim besten willen keinen eigenen Stil haben oder an diesem erkannt werden. 

 

Was macht denn jetzt den Unterschied zwischen Deutschlehrer und Hemmingway*?

Übung macht den Meister - aber Stil?

Üben, üben, üben - macht den Meister - unbenommen. Aber macht die Übung auch einen eigenen Stil? Wohl eher weniger. Aber wir kommt man dann zum Stil. Durch harte Arbeit. Ja klar, aber wie sieht die Arbeit aus? Ratschläge wie: „Du musst bei anderen lernen“ oder „Nimm dir Beispiele bei anderen“ greifen hier zu kurz. Denn das, was von vielen als Inspiration angeführt wird, ist verdammt nah an Imitation - finde ich zumindest. Und nur durch das Durchblättern von Bildbänden oder das Durchscrollen von Bilderseiten im Web, findet man nicht den eigenen Stil.

 

Talent, und was ist mit Talent?

Bisher haben wir über Dinge gesprochen, die man mit Fleiß erreichen kann. Mit Konsequenz und Kondition. Reicht das aus? Ist das genug für den eigenen Stil? Was ist denn mit Talent? Kann man Talent lernen? Wird Talent durch üben besser? 

 

Ich glaube nicht. Aber ich sehe Talent als Begabung und somit als einen sehr wichtigen Bestandteil des ganzen. Und das ist etwas was nicht mit Absicht entsteht. Und so kommen wir zum Punkt: 

Stil kommt von alleine - aus dem Inneren

Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass man einen Stil nicht erzwingen kann. Er entwickelt sich aus dem eigenen Ich, aus dem Inneren. Das eigene Bild, das im Kopf entsteht, von dem was man will, ist maßgebend dafür, was später Stil genannt wird. Das Bild im Kopf umzusetzen, ist das Maß der Dinge: An ihm wird das Handwerkzeug gemessen, an ihm liegt das Maßband für Talent an, an ihm mist man sich selbst, mit Selbstkritik, ob es das ist was man will... 

 

Und ja, man kann manisch werden dabei. Man kann es aber auch einfach geschehen lassen. Aber ich sage, man kann es nicht mit Gewalt hervorbringen. Es kommt von selbst und wenn die Seele in den Bildern die Oberhand bekommt und vom Betrachter erkannt wird, dann schält sich ein Stil heraus. Ein immer persönlich werdender Stil, den vielleicht der eine oder andere auch erkennt. 

Was meint ihr? Habt ihr euren Stil gefunden? Erarbeitet? schreibt gerne eure Erfahrungen...

 

*Hemmingway, us-amerikanischer Schriftsteller

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Kommentare: 2
  • #1

    Lix.xii (Sonntag, 22 September 2019 12:44)

    Lieber Claus,
    Ich habe deinen Eintrag mit Interesse gelesen und möchte kurz meinen Senf dazu geben.
    Auch ich habe immer (und tue es immernoch) diejenigen Fotografen bewundert, die einen wiedererkennbaren und besonderen Stil haben. Bei mir sind schöne Fotos immer nur willkürlich entstanden und ich wusste nicht, worauf ich achten muss, um diese bewusst entstehen zu lassen. Irgendwann hatte ich ein, in meinen Augen, besonders schönes Exemplar und habe versucht das Foto zu analysieren. So habe ich Dir äußeren Bedingungen, Lichtverhältnisse, Nachbearbeitung etc. herausgearbeitet und versucht diese auf die nächsten Fotos zu übertragen. Plötzlich habe ich dann die Locationwahl, die Lichtgebung oder die Klamottenauswahl mit ganz anderen Augen gesehen und aktiv beeinflusst, anstatt sie der Willkür zu überlassen. Ab diesem Zeitpunkt hatte ich das Gefühl, Herr des Shootings zu sein und vorher schon planen zu können, was am Ende für ein Foto entstehen soll! Ja und irgendwie fühlt es sich nach einem eigenen Stil an! Das ist jetzt alles noch ganz am Anfang, aber es ist ein Anfang!
    Ich kann also jedem Fotografen raten: Nehmt euer bestes Foto, analysiert es und versucht es 20 mal mit unterschiedlichen Randbedingungen zu reproduzieren! Wenn dann immernoch ein tolles Foto bei rauskommt, habt ihr euren Stil gefunden!

  • #2

    Claus (Montag, 23 September 2019 08:50)

    Hi Lix.xii - danke für deinen Kommentar. Und genau das hab ich gestern auch in einem Buch gelesen. Es ist nicht nur das Üben, es ist das Erkennen, das Nachstellen der eigenen Dinge.. ja und dann das Gefühl, einen eigenen Stil zu haben... ich werde es - wenn ich zur Fotografie zurückkehre versuchen, so zu analysieren... um eben Herr des Bildes zu werden.

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