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Hinter den Kulissen

vom bezahlen, abliefern und dem ganzen dazwischen

Es ist das Resultat, das zählt: Und das sind bei einem Fotografen die Bilder. Doch was geschieht hinter den Kulissen? Ist jeder Fototermin gleich harmonisch und produktiv? Gibt es das perfekte Photoshooting? Viele Fragen, die sich mir als Anfänger gestellt haben. Daher hier in loser Reihenfolge ein paar Einblicke hinter die Kulissen. 

Du musst bezahlen...

Meine Situation von vor 4 Jahren: Kamera gekauft, Grundlagen geschaffen, was fehlt: Ein Model. Genug der Blumen am Wegesrand fotografiert, die gesamte Verwandtschaft - zumindest der ansehnliche Teil - ist durchgeknipst jetzt geht es an echte Models. Leichter gesagt als getan. Denn mit einfachem Anschreiben der gewünschten Modelle ist es nicht getan. Und die Anzahl der Absage ist ein Motivationskiller höchster Güte. Wenn sie denn überhaupt eintrudeln, die Absagen. Meist stößt man auf Kommunikationssackgassen. Will heißen: Anfrage gesendet, dann nie mehr etwas gehört. 

 

Und wie es in der (Hobb)Fotoszene so üblich ist: Guter Rat ist sofort parat. Besonders von Social Media Größen, also den Instagram-Platzhirschen und den Influencer-Fames. „Wenn du anfängst, musst du bezahlen. Nur mit Pay-Models kommst du weiter.“ Okay, also auf deutsch: Ein Fotomodel engagieren und ihre Leistung mit einem Honorar begleichen. 

 

Man muss wissen, dass die Bezeichnung Pay-Model keine offizielle Berufsbezeichnung ist, sondern eine umgangssprachliche Beschreibung von: Geld gegen Vor-der-Kamera-stehen. 

 

Daher ist das Feld derjenigen, die sich gegen Geld zur Verfügung stellen auch relativ heterogen wie groß. Dass man sich nicht gleich an eine Cindy Crawford (die ja auch ein Pay-Model ist) heranwagt, ist für einen einigermaßen auf dem Boden verankerten Hobbyfotografen selbstverständlich. 

Also sucht man eher im Bereich der Semiprofis. Also nebenberuflichen Akteuren, die schon über eine gewisse Erfahrung verfügen. 

Gesucht, gefunden, dann ging's los...

Bei einem lieben Fotokollegen, den ich aus Workshops kannte, sah ich ein ansprechendes Model, das für mein Vorhaben hervorragend passen würde: weibliche Portraits outdoor. Klar, fragte ich erst nach ein paar Hintergrundinfos. Heraus kam, dass er auf TfP-Basis mit ihr gearbeitet hat, sie aber mehr und mehr Anfragen bekäme und daher umschwenken würde und für Fototermine ein Honorar aufrufen würde. 

 

Klar, dachte ich, genau das was ich benötige: Eine Person, die Erfahrungen gesammelt hat, daher weiß, was zu tun ist und es ganz legitim ist, für diese Leistung auch Honorar zu verlangen. 

 

Also los: Hingesetzt und Shooting-Anfrage abgeschickt. Wer bin ich, was hab ich vor, wo ich es vor habe, in welchem Zeitraum ist es geplant, welcher Aufnahmenbereich schwebt mir vor und ein paar Links zu meinen bisherigen Werken. Zum Abschluss noch die Frage nach der Höhe des Honorars. 

 

Schwups: Da kam die Antwort. Positiv beschieden, denn es würde alles passen, die Idee wär okay, sie freue sich drauf, aber: die Location sei zu weit. Es handelte sich um 50km Anfahrt. Ich habe sofort nach einem alternativen Ort gesucht, denn ich dachte instinktiv daran, dass sie vielleicht nicht genügend Fahrpraxis hatte, um größere Strecken zu fahren. Und ich als alter Sack mit 30 Jahren Fahrpraxis kann da gut Rücksicht nehmen. 

 

Mein Vorschlag mit neuer Location war auf halber Strecke, also für jeden so um die 20km Fahrstrecke. 

 

Die Antwort kam direkt am Abend: Leider auch zu weit, ob es nicht ginge, etwas zu finden, was näher ihrem Heimatort sei. 

 

Okay, ich  hatte den Plan B vorbereitet. In meiner Antwort konnte ich direkt mit einem Ort ganz in ihrer Nähe auftrumpfen. Ein Industriegebiet mit Drahtzäunen, Rolltoren, Gleisen, Fluss, Kränen und …

 

Ich entwickelte gleich einen neuen Plan für die Portraits. Machte mich mental bereit und malte mir einige Motive vor dem geistigen Auge aus. 

 

Doch dann kam die Antwort: Nein, das Gebiet wäre für Fotos ungeeignet. Wo solle man sich denn da treffen? Okay, sie ist der Profi, dachte ich. Gegenfrage: Wo sollen wir uns denn dann treffen? Die Antwort dauerte dieses Mal ein wenig länger und kam dann mit einem: Keine Ahnung. 

 

Kurz überlegt und meinen Kamerakumpel gefragt. Schließlich kam er ja auch aus der Region des Models. Seinen Tipp hab ich dann genommen. Treffpunkt: Karlsruhe, Schloss. Wurde so auch vom Model abgesegnet. 

Also am Termin rein ins Auto und los ging's. Stau, Parkplatzsuche, Menschenmengen, Samstag eben. 10 Minuten vor dem avisierten Termin kam eine Nachricht aufs Smartphone: „Wo bleibst du? Bleibt es beim Termin?" 

 

Sofort reagiert: Klar doch, bin in fünf Minuten vor Ort. Mein Fotofreund kam auch mit, das war so abgesprochen, auch mit dem Model. Aus zwei Gründen war er dabei: Zum einen kannte er das Model und hatte schon mehrfach mit ihr gearbeitet und konnte daher als Bezugsperson agieren und zum zweiten, er konnte mir noch gute Tipps geben. Schließlich macht er bessere Portraits wie ich. 

 

Endlich konnte es losgehen. Doch mir fiel sofort etwas auf: Die Motivation des Models war - sagen wir mal so - noch nicht spürbar. Ich sagte mir, dass das schon noch kommen würde, wenn wir die Warm-Up-Phase hinter uns ließen. also erst mal Warmfotografieren mit ein paar Bilder. 

 

„Findest den Hintergrund gut? Ich find ihn nicht so gut.“, „An die Mauer lehnen? Ne, find ich nicht gut.“, „Warum soll ich in das Fenster gucken?“

 

Langsam aber sicher kam mir das ganze etwas spanisch vor. Und wie ich so bin, zweifelte ich erst mal an mir. In einer der kurz nach dem Shootingstart notwendigen Toilettenpause, fragte ich meinen Foto-Sozius. Er zuckte mit den Achseln und konnte sich keinen Reim draus machen. Also, liegt es an mir. Okay, also mehr auf das Model einlassen und versuchen den Draht zu finden. Vielleicht hilft ja ein Locationwechsel. Kennt man ja, neue Umgebung und so... 

 

Das Schloss, wer es kennt, hat eine wunderbare gelbe Fassade, strahlend schön. Und gerade blau und gelb können wunderbare mit Komplementärfarben kombiniert werden. 

 

Aber es hat nicht sollen sein. Egal was, egal wie, egal wo - das Model fand immer einen Haken. Und vielleicht ist ja der Haken, der nicht mal vorhanden war, nicht mal so sehr das Schlimme. Sondern, jedes mal, wenn man als Fotograf im Fluss war, stockte dieser Fluss durch einen Schlag mit der fachen Das-ist-aber-doof-Hand. 

 

„Sind da meine Beine drauf? Das ist doof, die gefallen mir nicht.“, „Müssen wir noch weit gehen?“, „Ich denke die Pose sieht nicht gut aus.“

 

Nicht dass ich falsch verstanden werde: Jeder Punkt, der vom Model angesprochen wurde, nahm ich als konstruktive Kritik auf, versuchte mein Tun zu ändern und anzupassen. Beim Präsentieren der Bilder auf der Kamera kam kein Feedback. Sie schaute und sagte nichts. Dabei wäre doch genau das der Zeitpunkt gewesen, um das Bild zu kritisieren, denn nur hier am Display sieht man, was der Fotograf sah und interpretierte. 

 

Aber kaum zurück in der Position vor der Kamera fing's wieder an: „Wenn ich nach links guck sieht das doof aus".

Unmotiviertes Abspulen von Minimalposen

Letztlich blieb unterm Strich, ein Abspulen von 1000fach gesehenen Minimalposen: Hand am Kinn, Hand in den Haaren, Mund offen und immer gleich gucken. Und das noch unmotiviert und ohne Glanz. 

 

Innerlich sagte mir eine Stimme: Brich ab, das ist sinnlos. Doch aus lauter Selbstzweifel hab ich durchgehalten. Drei Stunden hatte ich gebucht. Nach zweieinviertel konnte ich nicht mehr. Also Geldübergabe, Quittung unterzeichnet. 50€ pro Stunde - 150€. Ich nenne es Lehrgeld.

 

Kaum dass das Honorar verstaut war, kam ein Hauch einer Erklärung des Models. Sie habe in der Vorwoche gefeiert, da sie ihren Schulabschluss gemacht hätte. Jeden Abend sei sei 'im Club' gewesen und gestern wieder, bis wenige Stunden vor dem Shooting habe sie gefeiert. Daher sei sie müde und auch nicht ganz auf dem Damm. Beim nächsten Shooting würde sie dann die Zeit, die wir jetzt früher aufgehört hätten dranhängen. 

Erfahrungen, die man machen muss

Ich habe mich noch mit meinem Fotokameraden unterhalten, der mich nach dem Abgang etwas ungläubig angeschaut hatte. Er versuchte sich einen Reim aus dem Ganzen zu machen, schien aber sichtlich ebenfalls seine Probleme damit zu haben. „Manchmal stimmt die Chemie eben nicht“, sagte er und fügte hinzu: „Aber gerade bei dir hätte ich nie gedacht, dass es sowas mal gibt. Du bist unkompliziert, nett und ... vielleicht liegt es am Alter? Dass der Altersunterschied zu groß ist?“. Nun, er ist nicht jünger als ich, ... 

 

Auf der Heimfahrt so wie viele Monate machte ich mir Gedanken über dieses 'Shooting'. Was lief falsch, was hab ich verbockt, bin ich einer dieser schäbigen Fotografen, so ein Schmuddelknipser der nur junge Dinger knipst, bin ich unsympathisch, zu alt, zu uncool, zu schlecht in dem was ich mache... 

 

Klar, ich hätte den Termin gleich nach einer Stunde absagen können. Ich, ein Fotograf mit rund 300 Followern damals, lege die Lunte an einen Streit, an deren Ende eine Influencerin mit damals 10K Followern hing. Da zöge ich immer den Kürzeren. Eine Nachricht von ihr, und niemand würde mehr mit mir shooten. 

 

Im Nachhinein hab ich drei Bilder bearbeitet. Wer mich kennt weiß, dass ich jedes Bild dem Model schicke, weil sie egal wie ein Persönlichkeitsrecht an dem Bild hat und ich es für einen guten Stil halte. Feedback dazu gab es indes nicht ein einziges. Viel zu sehr war sie schon damit beschäftigt die großen der Szene für ihre Inszenierung zu nutzen. 

 

Fazit

Heute ist mir vieles klarer:

 

1. Pay-Model ist keine Garantie

Es ist wohl den sozialen Medien geschuldet, dass es eine Vielzahl an 'Bezahl-Models' gibt. Und da ist die Vielfalt sehr groß und die Skala reicht von "Oh, da gibt es Kohle für" bis hin zu absoluten Profimodellen. Dazwischen immer wieder Menschen, die das Influencersein mit professionellem Modeln verwechseln. 

 

Mein Rat:  Gibt acht, auf was du dich einlässt. Manches TfP-Shooting bringt dich weiter. 

 

2. Ich mache das Bild

Es gibt eine klare Aufgabenverteilung beim Fotografieren. Die eine Rolle ist hinter der Kamera, die andere ist vor der Kamera. Beide sind für das Bild wichtig und notwendig. Wenn die Rolle der Vor-der-Kamera gebucht und für diese Rolle bezahlt wird, auf dass die Rolle-hinter-der-Kamera das Bild machen kann, dann hat derjenige hinter der Kamera das Regierrecht. Punkt. 

 

Mein Rat: Du machst das Bild. Fertig. Ratschläge sind gut. Aber am Schluss soll dein Bild herauskommen, nicht das von anderen. Wenn du das willst, dann mach einen Workshop. 

 

3. Sei großzügiger mit dir selbst

Es soll ja Menschen geben, die kennen keine Selbstzweifel. Gut, das sind dann meist Menschen ohne Reflektionsfähigkeit. Aber dennoch: Nicht alles was nicht läuft liegt an einem selbst. Wenn das Gegenüber wie im obigen Fall, an der notwendigen Professionalität fehlen lässt, dann ist das kein Manko an mir. Wenn das Model keinen Bock hat, dann liegt es nicht an mir. Selbst wenn die Chemie nicht passt: Mein Gott, ein jedermanns Freund ist niemandem Freund. Aber gerade das sollte und darf im Pay-Bereich keine Rolle spielen Im TfP klar, logisch. 

 

Mein Rat: Keep it up und sei bei allen Zweifeln großzügig - aber großzügiger zu dir selbst statt immer zu anderen. 

Disclaimer: Nein, ich nenne keine Namen. Muss man auch nicht. Mir geht es nicht um Fingerpointing. Mir geht es um das Teilen eines Learnings. Fingerpointing und Bashing gibt es im Internet genug.


Credits: Foto (1) Fotoart Fischer, Fotos (2,3) Pixabay

 

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Kommentare: 4
  • #1

    Christian (Montag, 10 Mai 2021 20:13)

    Hey mein lieber,

    erstmal... spannend geschrieben :)
    irgendwie hat's mächtig Spaß gemacht den Beitrag zu lesen... auch wenn.... die Story ja irgendwie gar nicht so witzig ist ;)
    An Deiner Kommunikationsfähigkeit hat's definitiv nicht gelegen - dafür leg ich die Hand ins Feuer :D!

    Würd mich ja schon interessieren wer das Model war.
    Aber ... Dein Fazit bringts auf den Punkt :)
    (Ich sag's ja, Blümchen und so ...)

    Danke für Deinen Beitrag

    lieben Gruß
    Christian

  • #2

    Claus (Dienstag, 11 Mai 2021 09:26)

    Hi Christian,

    boah, bin wohl gestern zu früh zu Bett gegangen, so dass ich deinen Beitrag erst heut' gesehen habe. Vielen Dank für:

    - das Lesen des langen Textes
    - deinen Kommentar dazu

    Ja, es war nicht amüsant, hat es mich doch eine lange Zeit beschäftigt und umgetrieben. Aber mit einer gewissen Entfernung lassen sich viele Dinge einfache betrachten.

    Danke, dass mein Fazit den Punkt trifft.

    Gruß und immer gutes Licht und viel Freude beim Fotografieren.
    Claus

  • #3

    Reinhard (Mittwoch, 12 Mai 2021 21:25)

    Hi Claus, da schreibt der Profi, toll! Hast du schon mal daran gedacht oder vielleicht sogar realisiert mit einer Schauspielerin zu shooten? Würde mich interessieren! Grüße Reinhard

  • #4

    Claus (Freitag, 14 Mai 2021 10:51)

    Hi Reinhard,

    bisher war mir der Beruf eigentlich egal. :) Warum also nicht mit einer Schauspielerin...
    Weißt du eine? ;)
    Gruß Claus

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