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Die Sache mit dem Neid

Es kann nur Verlierer geben

 „Warum gibt es so viel Neid und Missgunst in unserer heutigen Gesellschaft?“ - diese Frage stellte eine Bloggerin dieser Tage in in den Sozialen Medien. Die meisten Antworten darauf waren in meinen Augen sehr oberflächlich. Die klassischen Floskeln wie: „Neid muss man sich erarbeiten.“ oder „Hater gibt es immer“ bis hin zu „Mach dein Ding“.  Alles eher Tipps für den Umgang mit Neid und weniger die Antwort auf deren vermehrte Existenz. Gerade Im Bereich der (Hobby)fotografie scheint der Neidfaktor eine wichtige Rolle zu spielen - zwischen Fotomodellen, zwischen Fotografen und untereinander. In anderen Hobbies ist mir das noch nie so stark aufgefallen. 

 

Ich hab da eher eine andere Vermutung. Schon seit etlichen Jahren beschäftige ich mich mit den Auswirkungen der (sozialen) Medien auf die Gesellschaft. Und dabei spielt der Neid, als eine urmenschliche Emotion, eine sehr gewichtige Rolle. 

 

Neid ist nicht gleich Neid

Jeder Mensch kennt das Gefühl, neidisch zu sein. Dafür muss man sich nicht schämen. Denn Neid kann etwas positives haben. Etwas, das einen antreibt und zu erhöhten Leistungen anspornt. Letztlich ist dieser positive Neid (kontruktiver Neid) sogar eines der Gründe, warum wir in Wohlstand leben und immer wieder neue Ziele stecken, die wir erreichen wollen - und letztlich auch erreichen. 

 

Der neutrale Neid, den zum Beispiel der Großvater empfindet, wenn er seine Enkel beobachtet, die in jugendlichen Leichtsinn zu neuen Abenteuern aufbrechen, denen die Welt offen steht, wie nie zuvor, ist ebenfalls eher positiv, ja gönnerisch zu bewerten.

 

Um was es aber eindeutig in der Frage ging, ist der der zerstörerische Neid, der in Missgunst, Schadenfreude und Dingen wir übler Nachrede mündet. Der destruktive Neid.

 

Psychologen sagen, dass es dieser destruktive Neid sei, der die Zufriedenheit und damit das eigenen Glücksgefühl zerstört und im schlimmsten Falle zu Depressionen führen kann. 

 

Zielt die eingangs gestellte Frage der Bloggerin auf diese Art des Neides. Ich denke schon. Letztlich weil es die einzige Version des Neides ist, die man letztlich wirklich spürt.

Was schürt Neid?

Neid entsteht durch vergleichen. Ebenfalls eine urmenschliche Verhaltensweise. Wenn ein solcher Vergleich keine große Differenz zwischen eigenem ich und beobachtendem Objekt ergibt, ist alles in Butter. Aber sobald diese Beobachtung eine Diskrepanz ergibt, fängt der Neid an zu wachsen. Ursachen für diese Differenzen sind wiederum psychologisch zu betrachten: Schwäche, Kleinmut, mangeldes Selbstvertrauen, selbstempfundene Unterlegenheit und überspannter Ehrgeiz. 

 

Interessant in diesem Zusammenhang: In allen Religionen ist Neid geächtet. Interessant auch daher, weil das Gegenstück dazu ebenfalls geächtet ist: Der Prass, die Überheblichkeit, die Selbstdarstellung.

 

Wenn man also davon ausgeht, dass ein beobachteter Niveauunterschied Neid produziert, können wir sagen, dass ein gewisser Narzissmus, also eine übertriebene Selbstdarstellung als Mitursache konstatieren können. 

 

Beispiel: Wenn jemand mit seinem Tun, seinem Aussehen, seinem Wissen, seinem Status angibt und wie man früher so schön sagte, Haussieren geht, desto mehr er sich also aus der Masse abhebt, desto mehr wird er beobachtet und Vergleiche mit ihm gezogen. 

Social Media - ein Herd des Narzissmus?

Es ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass eine übersteigerte Selbstdarstellung vor allem von Menschen zwischen den End-Zwanzigern und Dreißigern zu beobachten ist. Übrigens über alle Generationen hinweg, also kein besonderes Merkmal der heutigen Gesellschaft. Wir haben ähnliche Beispiele in allen Jahrhunderten. 

 

Was aber neu ist, sind die Mittel, mit denen diese Übersteigerung publiziert werden können. Die sozialen Medien sind ein Verstärker dieser Darstellung und wenn wir schauen, welche Altersgruppen (auch in der Fotoszene) sich zum Beispiel auf Instagram tummeln, sehen wir eine starke Präsenz der 20er und 30er. 

 

Hinzu kommt, dass diese Medien nicht die Realität zeigen, sondern nur eine gefilterte Welt. Die Welt des Schönen und des Guten, was weiterhin den Faktor verstärkt. 

 

Die Wissenschaft hat es untersucht und einen Zusammenhang von Narzissmus und Social Media konstatiert. Und die Wirkung der Medien auf die Gesellschaft, die dazu führt, dass mehr Egoismus und Ichbezogenheit an die Stelle des Miteinander führt. 

 

Im Übrigen auch interessant, dass diese auch in der politischen Landschaft zu bemerken ist. Weg von wir hin zu ich. Der wachsende Nationalismus hier ein beredes Beispiel. 

 

 

Je mehr, desto....

Es besteht also ein Zusammenhang zwischen Narzissmus (bitte nicht verwechseln mit dem pathologischen Krankheitsbild) und Neid. Unsere Gesellschaft sieht nichts anrüchiges mehr an der Selbstverliebtheit, dem Eigenlob, der Selbstdarstellung. Sie ist durch die Nutzung der neuen Medien vielmehr alltäglich geworden.

 

Das ist aber auch der Nährboden für Neid. Destruktiver Neid, der durch die vermeintliche Anonymität des Internets auch frei ausgelebt wird. 

 

Im Übrigen macht es beide kaputt: Die, die beneidet werden und die, die neiden. Denn Neid frisst am Selbstbild und vor allem frisst Neid die Selbstzufriedenheit.

 

tl|dr Je mehr sich Menschen selbst darstellen, sich über andere erheben, desto mehr potential für Neid wird es geben. Eine Art Neid mit der sich früher nur wenige Menschen aus Kultur, Politik und Sport abgeben musst, ist durch die sozialen Medien und der Möglichkeit der "Selbstvermarktung" nun zu einem gesellschaftlichen Problem geworden. 

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