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Stammfotograf • Lieblingsfotograf

My precioussssss....

„Mein absoluter Lieblingsfotograf...“, „Ich shoote nur noch mit meinem Stammfotograf“, „Ihr müsst unbedingt bei meinem Lieblingsfotografen vorbeischauen...“

 

Wer in den einschlägigen Ecken der Sozialen Medien unterwegs ist, dem sind solche oder ähnliche Bildunterschriften bestimmt schon begegnet. Voller Euphorie und aus Adrenalin gefüllter Brust wird mit Superlativen nicht gespart. Doch was steckt dahinter? Das hat mich interessiert, weil für mich diese Bezeichnung mehr und mehr zur Worthülse wurde. Eine Art Marketingtrick, das Exklusivität suggeriert. 

 

Daher wollte ich es genauer wissen und habe eine (nicht repräsentative) Umfrage unter meinen Followern gestartet. 

Eine kleine Umfrage

Ich habe meine Follower auf Instagram darum gebeten, ihre Gedanken zum Thema Lieblingsfotograf/Stammfotograf per Nachricht an mich zu senden. Vielen Dank an der Stelle für die vielen Zuschriften, die mich überrascht hatten. Sie kamen von beiden Seiten, also von Fotografen und Modellen. Ein sehr interessantes Bild, das sich da ergab.

Ich finde die Allegorie mit der Kneipe sehr treffend. Ein Ort, an dem man weiß, was einen erwartet. Ich meine, ihr kennt bestimmt das Gefühl an einem fremden Ort, vor einem fremden Restaurant zu stehen, die Karte anschauend, die meist in einem Kasten voller toten Fliegen hängt, um dann zu entscheiden: Reingehen oder nicht. 

 

Man war schon öfter da, weiß was kommt, was geht, was nicht geht. 

 

Und die Chemie: Beim Lieblingsfotografen kommt das Zusammenpassen ins Spiel - was ja für Spaß und Freude eine wichtige Grundlage ist und daher das Wort Lieblings- in der Art einer Zuneigung definiert.

Gleiche Wellenlänge und Vertrauen. Wie in einer Freundschaft, das kam öfter bei den Zuschriften. Und ich teile dieses Argument. Denn Fotografie hat etwas damit zu tun, dass man sich frei und unvoreingenommen einfach mal - wie sagt man so schön - fallen lassen kann. 

 

Und das kann man nur, wenn man sich auf den anderen verlassen kann. Wie bei einer Freundschaft. Denn das macht den Unterschied zwischen Freundschaft, Kumpelei und Bekanntschaft aus. 

Spielt die Anzahl der Fototermine eine Rolle? Oder steht Qualität vor Quantität. Ein interessante Aspekt. Nicht das „nur mit dem und auschließlich mit dem“ steht im Vordergrund, sondern das zufriedene gemeinsame Erarbeiten von guten Bildern. 

Exklusiv, VIP, Only the Best?

Oft, und dabei geht es nicht nur mir so, suggeriert die Bezeichnung Stamm- und Lieblingsfotograf (oder auch umgekehrt Stamm- und Lieblingsmodel) eine gewisse Exklusivität. In vielen Gesprächen online wie auch offline, wird immer wieder gemutmaßt: „Die fotografiert nur noch mit ...“ oder „Die Fotografin hat nur noch xy als Model“.

 

Manchmal hört man auch die Vermutung, dass die Bezeichnung aus dem Erfolg heraus definiert wird. Aufmerksamkeit durch Likes, Follower oder die Veröffentlichung der Bilder in Magazinen sowie die Auszeichnung und Prämierung in Wettbewerben. Klar, das kann sein und wäre ja auch legitim. Auch wenn es dann weniger um Vertrauen und gleiche Wellenlänge gehen würde - sondern eher darum, gemeinsam am Erfolg zu arbeiten. 

 

Wenn ich mir die Zuschriften so anschaue, dann gehe ich nicht davon aus, dass Stamm- oder Lieblingsfotograf gleichzusetzen ist mit Exklusivfotograf. Sondern sich in seiner Exklusivität wenn überhaupt auf bestimmte Aufnahmebereiche bezieht. Eben just diese Bereiche, die ein großes Maß an Vertrauen und Wohlgefühl verlangen.

 

Erstrebenswerte Auszeichnung?

„Muss man so einen Titel überhaupt erreichen?“ - wenn ich mir meine Gedanken dazu sortiere, muss ich sagen: Nein, muss man nicht. Vielleicht eine kurze Anekdote: Ich hatte einen Fototermin mit einem Hobbymodel ausgemacht und wir trafen uns, ob des schlechten Wetters, bei mir in meinem kleinen Heimstudio. Was anfänglich noch als Aufregung des Models gewertet werden konnte, wurde nach dem ersten Blick auf ein zur Probe geschossenes Bild mehr und mehr zur Euphorie. Nach den ersten Bildern und ungefähr einer halben Stunde Fotozeit dann die Aussage: „Du bist mein neuer Stammfotograf!“ - Wow, eine Auszeichnung, die mich ehrte, gebe ich zu. 

 

Interessant: es blieb der einzige Fototermin. Es folgte kein weiterer. Denn die Rolle des Stammfotografen übernahm ein anderer, der zusätzlich noch exklusiv fotografierte. 

 

Mir selbst tut dies keinen Abbruch. Ich freue mich für das Model, dass sie das gefunden hat, was sie gesucht hat. Mir zeigt es aber auch, dass es durchaus eine inflationäre Bezeichnung ist und im Gebrauch oft willkürlich. 

 

Für mich ist eine besondere Freude, dass mir jemand, mit dem ich mein Hobby teile, so viel Vertrauen entgegenbringt, dass sich eine Freundschaft entwickelt. Ich finde das großartig. Vielleicht, weil ich ein Typ bin, der es jedem recht machen will und das dann als besondere Bestätigung nimmt.  

 

Aber ich sehe es auch aus einer anderen Perspektive. Es gibt so viele saugute Fotografen, die exzellente Arbeiten erstellen, die Meister ihres Fachs sind. Bei denen diese zwischenmenschliche Komponenten nicht so ausgeprägt ist. Was ich sehr gut verstehen kann, birgt es doch auch Risiken für Enttäuschungen und Frustration. 

 

Auf immer und ewig?

Wie ist es, wenn man den Status des Lieblingsfotografen verliert? An was liegt es? Es bleibt die Weisheit: Nichts ist für die Ewigkeit. Was aus dem Moment heraus geboren wird, kann auch in einem anderen wieder ersterben. Man kennt es auch von Freundschaften. Es gibt welche, die halten ewig und es gibt welche, die ...

 

Für mich ist es daher klar, dass man mal ein Lieblings- oder Stammfotograf ist, aber dann auch wieder nicht mehr. Bessere Fotografen, sympathischere Typen kommen um die Ecke, der Geschmack ändert sich, die Vorliebe für bestimmte Fotografien, die Häufigkeit der Fototermine lassen nach oder es hat einfach nicht mehr sollen sein. 

 

Freundschaft, Vertrauen und Verständnis

Verständnis und Freundschaft, Vertrauen und Verlässlichkeit - das sind Werte, die für mich in der Fotografie eine sehr große Bedeutung haben. Überhaupt in meinem Wertekonstrukt ganz oben rangieren. Werden diese Wertschätzungen mit und meiner Arbeit entgegengebracht, dann ist das die größte Auszeichnung überhaupt. 

 

Aber: Man muss es nicht aussprechen. Es ist ein Gefühl, das sich einstellt, das sich ergibt. Es wird nicht stärker oder besser durch die Titulierung oder die häufige Veröffentlichung und regelmäßige Wiederholung. Nein, ganz im Gegenteil, für mich steht die Bezeichnung Stamm- oder Lieblingsfotograf in Gefahr durch inflationäre Verwendung mehr und mehr an Bedeutung zu verlieren. Wie es oft im Marketing und der Werbung ist: Die Sinnhaftigkeit geht verloren. Es gibt kein auch nass noch trocken oder weißer als weiß. Was kommt danach?

 

Im Gegenteil: es tut im Inneren einfach weh, wenn dich jemand als Lieblings- oder Stammfotograf tituliert und später kein Wort mehr darüber verliert und andere so bezeichnet. Dagegen kann sich nur ein absolut gefühlskalter Brocken wehren. Hand aufs Herz, ist doch so, oder?

Fazit

Wir sind in einer Gesellschaft großgeworden oder werden es noch, in der Superlative eine große Rolle spielen. Die sogenannten sozialen Medien verstärken dies in meinen Augen noch viel mehr. Aber es gibt Dinge, die viel mehr zählen, als Auszeichnungen, Prädikate und Nominierungen. Es sind wahre Gefühle und Momente. Und wer Gefühle und Momente erleben kann, der weiß, dass diese nicht in Worte zu fassen sind. 

Ob ich jemandems Lieblingsfotograf oder gar Stammfotograf bin, ist mir nicht egal, es freut mich - sehr sogar. Aber ich freue mich genauso, wenn nicht sogar ein wenig mehr, wenn mich jemand nicht so nennt, ich es aber fühle und weiß, dass es hier eine fotografische (und auch andere) Freundschaft und Gemeinsamkeit entwickelt hat. 

Und noch eins dazugefügt: Wenn diese Freundschaft auch über einen Zeitraum hinweg ohne Fotografie standhält, dann bin ich der glücklichste Mensch (Fotograf) der Welt. 

Danke an alle, die mir geschrieben haben, dass ich die Antworten hier verwenden darf und dass ich so eine geniale Community hab. Danke dafür, denn das bestätigt mir das oben Geschriebene.


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