Technik, Technik über alles?
Ok, bevor ich diesen Blog-Beitrag starte, gleich vorneweg die Klarstellung: es muss für einen Fotografen selbstverständlich sein, dass er die Technik rund um sein Equipment beherrscht und gerade für diejenigen, die sich gerne Profis nennen, muss das aus dem eff-eff funktionieren. Belichtungszeit, Blende, Iso und Brennweite, Weißabgleich und Lichtmessung - es gehört dazu, wenn man mit „Licht malt“.
Aber ehrlich: Schauen wir uns auf Instagram um, so gibt es eine schiere Masse an Fotografen, die kaum, dass sie mal begonnen haben, die ersten passablen Bilder aus dem Apparat zu bekommen, sofort mit Workshops beginnen. Auch hier gleich ein Disclaimer: Nichts gegen Workshops. Aber der gefühlt millionste Workshop zum Thema „Ich zeige dir, wie du deine Camera beherrschst!“? Ehrlich, Leute? Das kann es doch nicht sein.
Wer Menschen fotografiert, sollte nicht nur seine Kamera kennen
Es ist schön, wenn der Fotograf seine Kamera - oder Kameras - beherrscht. Das sei ihm gegönnt. Doch davon hat weder der spätere Betrachter des Bildes etwas, noch das Model vor der Linse. Denn es ist selbstverständlich, dass man sein Werkzeug kennt, es bedienen kann und weiß wo man drückt. Ich möchte auch nicht beim Zahnarzt liegen, der kurz lächelt, seinen Blick gleich wieder abwendet und sich dem Bohrer widmet mit den Worten: „Ist neu, der Bohrer...“
Nicht anders ist es, wenn man Menschen fotografiert. Es geht um den Menschen, nicht um die Kamera. Oder aus welchem Grund wurde das Model zum Fotografieren eingeladen? Um die neue Kamera zu präsentieren? Um zu zeigen, was man für ein Technik-Nerd ist, und wie man sich stundenlang mit den Einstellungen einer japanischen Kamera auseinandersetzen kann?
Das Model ist nicht wegen der Kamera angereist...
Ausnahmen bestätigen die Regel. Aber das Model ist gekommen, um zu fotografieren. Und daher sollte jeder Fotograf mit dem Umgang von Menschen betraut sein. Und genau hier seh ich ein riesengroßes Manko in der Szene. Die Geschichten erzählen ihr Übriges: Fotografen, die kaum ein Wort reden, andere wiederum, die nur im Befehlston geifern, andere die (leider) im wahrsten Sinne des Wortes gleich zur Sache kommen (wollen).
Zugegeben, jemandem das Zusammenspiel der berühmten Foto-Dreifaltigkeit aus Blende, Verschlusszeit und Lichtempfindlichkeit beizubringen, ist einfacher (weil auch für den Lehrenden leicht zu erlernen) als sich auf die Psychologie des Zwischenmenschlichen einzulassen.
Wer es mit Menschen zu tun hat, weiß, das dies ein einfaches Unterfangen ist. Es folgt keiner eindeutigen Formeln, sondern ist manigfaltig in seiner Ausprägung. Nicht umsonst gibt es Heerscharen von Psychologen die dieses Verhalten untersuchen und versuchen in Bahnen zu lenken.
Aber man muss kein Psychologe sein, auch keine Ausprägung des Menschenfreundes haben, um Menschen mit Respekt zu begegnen. Und genau darum geht es doch: Respekt.
Und den vermiss ich so dermaßen in unserer Fotoszene. Jeder der eine Kamera besitzt, meint er könne, weil er ja die Technik so mächtig beherrscht, auf Menschen los gehen.
Anstand, Benimm und Respekt
Ich habe den großen Vorteil, dass ich Fotografen oft zuhöre wenn sie über ihre Arbeit und ganz spezifisch von ihren Models reden. Und schon beim ersten Hinhören, erkennt man so einiges, lassen Worte, Floskeln und Idiome ziemlich tief blicken.
Schon in den Worten liegt Anstand und Respekt begründet. Ich sehe in Modellen vor allem eines: Kollegen am Set. Und mit Kollegen geht man respektvoll um. Da wird nicht von „Schätzchen“, „Lady“ oder „Süße“ geredet. Auch ein „Herzchen, wackel mal her“ hat nichts mit Respekt vor der Person zu tun.
Respekt ist es, wenn man weiß, wie man mit Worten umgeht. Wenn man weiß, welche Worte ein bestimmtes Niveau verlassen.
Ich habe Fotografen gesehen, die grüßen nicht, sie reden nicht, sie merken sich den Namen nicht. „Willst ein paar sexy Bilder? Kann ich dir machen.“ oder „Kleine, stell dich mal da hin, dreh dich, dann kann man dein Kapital besser sehen".
Es gibt für mich schon mal drei wichtige Punkte, die man lehren kann:
- Benimm: Zu wissen, was man tut und was man nicht tut. Gute Umgangsformen. Im verbalen wie im schriftlichen.
- Anstand: Das sind Werte, Moral und Sittlichkeit - aber auch Ethik.
- Respekt: sich selbst und dem anderen gegenüber.
Für mich sind Modelle Kollegen am Set. Und wer in einem erfolgreichen Team arbeitet weiß, was genau diese drei Dingen für den Erfolg bedeuten.
Der Umgang mit Menschen ist lernbar und lehrbar
Ich finde, den Umgang mit Menschen kann man lernen. Und man kann ihn lehren. Und man kann das Gelernte anwenden. Aber es scheint, als hätte es keinen Bedarf am Markt. Klar, männerdominiert und harte Bandagen. Finde ich nicht, denn es gibt viele Ausnahmen auch bei den Profis, denen der Umgang mit dem Menschen als wichtigste Grundlage gilt. Aber vielleicht ist es auch das Geheimnis, das viele nicht teilen wollen, denn es hat etwas mit Talent zu tun. Und das kann man nur im Grundsatz lehren, entwickeln muss es sich selbst.
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