Fortes fortuna adiuvat
„Das Glück ist mit dem Mutigen“ - diese Weisheit hatten schon die alten Römer von einer Generation zur nächsten gegeben.
Und ja, da ist was dran, muss ich zugeben. Doch was ist es, das wir als Mut bezeichnen?
Es war wieder eine Diskussion unter Fotografen (ich habe in meinem anderen Blogbeitrag schon ein wenig angedeutet, in welche Richtung sich der Dialog hinbewegte).
Situation: Du siehst ein Foto in der Timeline eines Fotografen, dem du folgst. Das Bild ist eine TfP-Produktion mit einem Model, mit dem du schon seit längerer Zeit in Kontakt stehst, und lose über eine Zusammenarbeit geschrieben hast. In Gedanken hast du dir bereits ein Sujet ausgesucht, dir einen Kopf über das Motiv, den Bildaufbau, den Look und die Message der zu entstehenden Bilder gemacht.
Und genau das, was sich vor deinem geistigen Auge aufgetan hat, genau das, was du dir als Ziel für den Fototermin gesetzt hast, genau das.... ist jetzt als wahrhaftiges Fotos vor dir in der Timeline des Fotografen zu sehen.
Und zwar so gut umgesetzt, dass es einfach maxime in optimum ist - besser geht es einfach nicht.
Maxime in optimum - Bestes unter Besten
Für mich hat das bedeutet: Meine Bildidee zu verwerfen, ja selbst ähnliche Sujets gar nicht mehr in meine Überlegungen mit einzubeziehen. Viel mehr sagte ich mir: Bevor ich mit diesem Model zusammenarbeiten kann, muss ich mir etwas ganz besonderes enfallen werden, was diesem Charakter, dieser Person entspricht. Vorher, so mein Gedanke, bleibt alles auf dem Niveau der „Blümchenfotografie“*.
Meine Gedanken gingen noch einen Schritt weiter: Das offensichtliche Vertrauensverhältnis zwischen Fotograf und Model, war so groß, dass es schwer sein würde, hier ähnliches zu schaffen. Das Zusammenspiel der beiden war so harmonisch, so vertraut und so ... man kann es kaum in Worte fassen.
Es fühlte sich einfach falsch an, in diese Intimität einbrechen zu wollen. Ein Gefühl, sich als Beobachter einfach still und leise zurückzuziehen, um diesen Moment nicht zu stören.
Feigling - mach doch!
Meine Angewohnheit ist es, dass ich bei solchen Arbeiten immer mein Lob und meine Anerkennung an den Fotografen und das Model weitergebe. Meistens mit einem Kommentar, oft aber auch - wie in diesem Falle - in einer direkten Nachricht. Okay, das mag manchem doof vorkommen, ich finde es einfach eine Wertschätzung.
ich weiß nicht mehr genau, was ich geschrieben habe, aber es war in der Art: Die Beziehung von Muse und Künstler zu stören wäre Frevel.
Darauf kam recht schnell der Konter: „Trau dich halt, was soll schon passieren!“ Aber darum geht es mir doch gar nicht. Das was ich meine, ist keine Frage des Mutes. Es ist viel feingeistiger und daher wohl schwer zu vermitteln.
Ein Versuch der Erklärung
Ein relativ bekannter Fotograf hat ein Kapitel in seinem Buch mit Wie ich Bilder sehe überschrieben. Und da will ich ansetzen: Sehen wir alle Fotos gleich? Haben wir die gleiche Art und Weise, wie wir mit Fotografien umgehen? Ich denke nicht.
Viele sehen als erstes die Schönheit. Meist auf das Aussehen der abgelichteten Person beschränkt. Manche inkludieren diese Schönheit in das Gesamtkonzept des Bildes. Dann gibt es Menschen die sehen in den Bildern das Spiel von Licht und Schatten, von Farben. Noch andere entdecken in den Abbildungen ästhetisches, das Wirken von Gestaltgesetzen.
Ich sehe in Portraits das Zwischenmenschliche: Das Verhältnis von zwei Menschen. Dem Menschen vor und dem Menschen hinter der Kamera. Das Vetrauen, die Bindung, das Fallenlassen, das feine Band der Zwischenmenschlichkeit, dass sich in so vielen Nuancen zeigen kann.
Und eben dieses Band finde ich so einmalig - besonders dann, wenn es so stark ist, dass man es fühlen kann. Durch das Bild hindurch.
Ich nenne es die feinfühlige Art Abbildungen zu bertrachten - sensible Bildwirkung sozusagen.
Angst vs. Respekt
Nochmals zurück auf das Trau dich doch : In meinen Augen hat das nichts mit Zutrauen oder Mut zu tun,. Auch nicht mit Angst vor einer Absage. Besonders dann nicht, da ich in diesem Falle ja eh schon mit dem Model im Gespräch war und ein Fototermin bereits avisiert wurde.
In der Szene der Peoplefotografie ist man schnell dabei mit den Worten trau dich, Mut, und Angst zu jonglieren. Warum eigentlich? (Dazu gibt es einen neuen Blogbeitrag in den kommenden Tagen...). Es hat nichts mit Angst zu tun. Eher mit Respekt. Aber wir legen heute nicht mehr viel Wert auf die Bedeutung der Worte. Und Respekt wird leider mit Angst gleichgesetzt. Aber Respekt ist nicht negativ besetzt. Sondern hat im Gegensatz zu Angst eine ganz große postitive Komponente. Ich habe Respekt vor Leuten mit Mut, mit Talent, mit Können, mit Zivilcourage, mit Wissen - aber ich habe keine Angst vor Ihnen. Versteht ihr was ich meine?
[tl:dr] Respekt hat nichts mit Angst zu tun, sondern mit Hochachtung vor der Leistung einer Person. Und wenn man sich aus Respekt zurücknimmt oder zurückhält, so hat das nichts mit Angst oder fehlendem Mut zu tun.
Disclaimer: *Blümchenfotografie ist ein sehr interessantes Sujet der Fotografie, deren Wirkung ich hier in keinster Weise schmälern will.
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